Ausstellungen

 

 „Freischaffende Künstler: Dieter Goltzsche und Otto Niemeyer-Holstein"

19. Oktober 2024 - 6. April 2025

Goltzsche (geb. 1934) hatte in Dresden bei Hans Theo Richter (1902–1969) und Max Schwimmer (1895–1960), der ihn 1958/59 als Meisterschüler aufnahm, studiert und arbeitet seit 1960, nachdem er sich in Berlin niedergelassen hatte, als freischaffender Künstler. Er gehörte zu den bedeutendsten Künstlern in der DDR, dem es gelang, auch international bis heute erfolgreich wahrgenommen zu werden. Dies liegt an seiner unbedingten Konsequenz sich von kulturpolitischen Forderungen freizumachen. "Meine persönliche erste Begegnung mit Nino war etwa 1964. Wir besuchten ihn in Lüttenort. Niemeyer war ein unerreichtes Vorbild als wirklich Freischaffender – keine Bindung an Betriebe, Aufträge oder ähnliches." (Goltzsche 2017)

Die Ausstellung ist ein Beleg für die gegenseitige Stärkung von Künstlerkollegen untereinander, zu einer anderen Zeit. Hier liegt der inhaltliche Schwerpunkt in der konsequenten Verfolgung eigener künstlerischer Ziele entgegen äußerer Umstände und Bevormundung. "Der Künstler will frei sein in der Kunst" schrieb ein Mitarbeiter der Staatssicherheit in den Eröffnungsbericht zur Personenobservierung von Otto Niemeyer-Holstein.

Franka Keil, September 2024

 

„Trotz alledem! –

Otto Niemeyer-Holstein und sein Freundeskreis in der Zeit des Nationalsozialismus“

 

12.4.2025-12.10.2025

 

Kunst der Gesellschaft 1900 bis 1945

hieß die Ausstellung, die 2022 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen war. Neben den bekannten Werken des Expressionismus wurden bisher oft unbeachtete Denkweisen und Anschauungen einbezogen, die unter folgenden Überschriften zusammengefaßt wurden: Traumwelten, Gesichter der Zeit, Der scharfe Blick, Stadtsplitter und Leben und Reform. In den Schriften zur Ausstellung war zu lesen: „Aufgrund der Vielfalt der Themen und erweiterten Perspektiven lassen sich die Ausstellungskapitel als Prismen verstehen, in denen sich die Strahlen der Kunstgeschichte brechen. Untersucht wird, wie damalige Kunstschaffende auf die historischen Entwicklungen reagierten und welche Position sie dabei einnahmen.“

Malerei des Expressiven Realismus

Otto Niemeyer-Holstein und viele seiner Weggefährten und Gleichgesinnten gehörten zu einer Gruppe von Künstlern, die zu Beginn der 1930er Jahre im Begriff waren, sich einen Namen zu machen. Ihre Werke, die sich vor allem mit der Landschaft auseinandersetzen, kann man weder dem Spätimpressionismus, noch dem Nachexpressionismus zurechnen. Ihre Kunst ist keinem Stil, sondern einer künstlerischen Grundhaltung verbunden, dem Expressiven Realismus: Für die Künstler dieser Generation war der Wunsch entscheidend, das Elementare und Wesentliche der von ihnen erfahrenen Wirklichkeit in ihren Bildern sichtbar zu machen. Die Subjektivität des Erlebens wurde von ihnen als Voraussetzung für die Annäherung an ein allgemeingültiges Wesen der Realität begriffen. Mit dieser existentiellen Anforderung an Kunst wird verständlich, dass die Vertreter des Expressiven Realismus ihre Malerei nicht an bestimmte Stile, Programme oder Ideologien gebunden sahen.

Die verschollene Generation

Die Vertreter des Expressiven Realismus gehören, wie die meisten der um 1900 Geborenen, zu einer relativ unbekannten Generation von Künstlern. Dies sagt jedoch wenig aus über ihren künstlerischen Rang. Stattdessen ist die Ursache ihres Verschollenseins in der radikalen Unterbrechung der Kunstentwicklung durch den Nationalsozialismus zu suchen.

Die jungen Künstler, die sich in der Zeit der Weimarer Republik zu etablieren begannen, waren im Nationalsozialismus  verfemt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen sie sich in beiden deutschen Staaten mit Kunstentwicklungen konfrontiert, die ihnen kaum Anknüpfungspunkte für eine größere Popularität boten: Für die einen waren ihre Werke nicht realistisch  genug, für die anderen zu wenig abstrakt. Aber auch eine ganze Generation von Galeristen, Kunstkritikern und Kunstsammlern war verschwunden – Zeitzeugen, die die Bedeutung der expressiv-realistischen Malerei fernab eindeutig bestimmbarer Stile erkannt hatten. Erst jetzt, 100 Jahre später, beginnt man, diese Malerei in ihrer vollen Bedeutung wiederzuentdecken.

 

Die Verdrängung der Moderne im Nationalsozialismus

Künstler der Moderne hatten zwischen 1933 und 1945 aufgrund der Gleichschaltungspolitik aller Lebensbereiche* unter extremen Einschränkungen zu leiden. So waren z.B. Ausstellungen ohne Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste offiziell unmöglich. Auch Bezugsscheine für Ölfarben erhielten nur Mitglieder. Manche, die das Land nicht verließen, suchten nach Wegen, ihrem Stil treu zu bleiben, ohne sich dem Regime zu beugen.

Ein Kapitel der deutschen Kunstgeschichte, das auch auf der Insel Usedom stattfand. In Folge dessen, daß  1937 Werke von Otto Niemeyer-Holstein in Museen in Kiel, Duisburg und Chemnitz als entartet beschlagnahmt und vernichtet wurden, zog sich ONH mit seiner als Halbjüdin diskriminierten Frau Annelise und seinen beiden Söhnen Peter (geb. 1921) und Günter (geb. 1937) auf die Insel Usedom zurück.  Auch  fünfzehn Künstlerfreunde von ONH ereilte dasselbe Schicksal, als entartet diffamiert zu werden. Einundzwanzig Werke dieser Weggefährten befinden sich in der Kunstsammlung Otto Niemeyer-Holsteins; u.a.: von Hans Jüchser, Ervin Bossányi, Marc Chagall, Wilhelm Lehmbruck, Heinrich Ehmsen, Oskar Kokoschka, Gerhard Marcks und Max Kaus.

Von August bis November 1937 wurden in Deutschland in der „Aktion entartete Kunst“ 16.558 Werke der bildenden Kunst aus Museen und Privatsammlungen beschlagnahmt. Als „entartet“ galten den nationalsozialistischen Machthabern ungegenständliche, expressio-nistische und sozialkritische Werke sowie solche von Künstlerinnen und Künstlern jüdischer Abstammung. 1.200 Künstler waren betroffen, sie wurden mit Ausstellungs- und Malverboten belegt. Viele der beschlagnahmten Werke wurden in der Propaganda-ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt und im Ausland divisenbringend versteigert. 4829 Gemälde, Skulpturen, Aquarelle und Grafiken wurden von den Nationalsozialisten als wertlos erachtet und zerstört.

*Gleichschaltung bezeichnet die erzwungene Eingliederung aller sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kräfte in die einheitliche Organisation einer Diktatur, die sie ideologisch vereinnahmt und kontrolliert. Mit der Gleichschaltung strebte man an, alle Bereiche von Politik, Gesellschaft und Kultur gemäß den nationalsozialistischen Vorstellungen zu reorganisieren. Dies hatte die Eingliederung vieler bestehender Organisationen in die NS-Verbände zur Folge. Der autoritäre Korporatismus ist eine von staatlicher oder institutioneller Seite aufgezwungene Form. Seine Merkmale sind eine begrenzte Anzahl gebildeter Zwangsverbände mit verbundener Zwangsmitgliedschaft. Die Arbeit der Verbände ist bereits auf ein fest vordefiniertes „Gemeinwohl“ der Gesellschaft ausgerichtet. Es ergibt sich also nicht wie im Pluralismus aus einem Gruppenkonsens, sondern durch staatliche Festsetzung.