Ausstellungen

Künstlerfreundschaft - Clara Rilke-Westhoff (1878-1954) - Ottilie Reylaender-Böhme (1882-1965) - Otto Niemeyer-Holstein (1896-1984)

 

Ausstellungsdauer:

13. April – 13. Oktober 2024; Di - So 11 - 17 Uhr

 

Besonderer Dank gilt den Leihgebern, der Kunsthalle Bremen, der Kunsthalle Worpswede/ Kunststiftung Friedrich Netzel und den privaten Leihgebern.

Für die Förderung der Ausstellung wird dem Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie dem Freundeskreis ONH, Lüttenort e.V. und euroart gedankt.

 

Künstlerfreundschaften zwischen Künstlerkolonien Ascona, Worpswede und Usedom

 

Berlin 1927: in der Malschule von Arthur Segal (1875- 1944), den Otto Niemeyer-Holstein bereits aus Ascona kennt, begegnen sich ONH und Clara Rilke-Westhoff. Nach ihrer Rückkehr aus Mexiko 1928 kommt es zu einer Wiederbegegnung von Ottilie Reylaender-Böhme mit Clara Rilke-Westhoff, die sich dadurch intensiviert, dass auch Ottilie Reylaender an der Malschule von Arthur Segal teilnimmt. Den um einige Jahre jüngeren Kollegen Otto Niemeyer-Holstein beeindruckt das Werk der Künstlerinnen, die sich bereits vor dreißig Jahren  in Worpswede kennenlernten.

 

In den folgenden Jahrzehnten sind im Werk von ONH zahlreiche Einflüsse wiederholter Begegnungen und des freundschaftlichen sowie künstlerischen Austausches zu beobachten. Um 1930 gibt es Besuche von ONH in Fischerhude bei Clara Rilke-Westhoff, wie ein Gemälde und ein Aquarell, im Werk von ONH erhalten, bestätigen. Wenn Clara Rilke sich in Berlin aufhält, wohnte sie gelegentlich bei den Niemeyers. Es entsteht eine freundschaftliche Verbindung. Clara Rilke schenkt den Niemeyers die Plastik: „Kinderkopf“. Die Kontakte zwischen ONH und Ottilie Reylaender-Böhme werden in den 1950er Jahren noch einmal häufiger, als ONH sich mehrfach in Berlin aufhält, um Freunde und Künstlerkollegen zu treffen. Eine bildhafte Vorstellung dieser Atelierbesuche vermitteln zwei gegenseitige Porträts sowie ein Bildnis, welches ONH 1958 von Bodzio Böhme malt. 

Otto Niemeyer-Holsteins künstlerische Entwicklung begann seit 1917 in der Auseinandersetzung mit den Strömungen und Stilrichtungen des frühen 20. Jahrhunderts. Besonders der Expressionismus und die Neue Sachlichkeit beeinflussen ONH wesentlich – bis ins Spät-werk. Unmittelbaren Eindruck auf den jungen Maler, der als Autodidakt begann, übt die Begegnung mit Alexej von Jawlensky (1864-1941), Marianne von Werefkin (1860-1938) und Arthur Segal im Tessin, auf dem Monte Verita in Ascona aus, dort ist er Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Der große Bär“.

Zu den markanten in Ascona wirkenden Malern der Jahre von 1914 bis 1920 gehörte Arthur Segal. Aus Rumänien war er, der Sohn aus wohlhabendem Hause, 1892 nach Deutschland gekommen, um an der Berliner Kunstakademie, später an der Münchner Akademie zu studieren. 1903 erste Ausstellung in München. 1904 Übersiedlung nach Berlin. 1911 Mitglied der „Neuen Berliner Sezession“; 1912 Ausstellung in der Berliner Galerie „Der Sturm“; 1914 nach Kriegsbeginn Ausreise in die Schweiz; Ausstellungen in Zürich; 1918 Mitgründer der „Novembergruppe“ in Berlin; 1919 Organisator der Ausstellung „Maler von Ascona“ im Kunstsalon Wolfsberg (u. a. Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Ernst Frick (1881-1956), Gordon McCouch (1885-1962), Otto Niemeyer-Holstein, Arthur Segal); in Ascona Eröffnung einer Malschule, deren strenger Zucht sich der junge Otto Niemeyer unterwarf, was er später bestätigte: „Ich verdanke Segal viel mehr, als mir lange Zeit bewußt gewesen ist.“ 1920 Rückkehr nach Berlin; Fortführung der Malschule in der – ein Zeichen seiner pädagogischen Wertschätzung – schon bekannte Malerinnen und Maler arbeiteten wie Lou Albert-Lasard (1885-1969), Clara Rilke-Westhoff und Ottilie Reylaender-Böhme; 1925 erscheint Arthur Segals Aufsatz „Das Lichtproblem in der Malerei“ (in: „Licht-Probleme der Bildenden Kunst“, Berlin). 1936 nach London, wo ihn 1937 sein ehemaliger Schüler Niemeyer- Holstein besucht; 1944 Tod nach schwerer Erkrankung.

 

„Ich hatte mir´s früh zur Gewohnheit gemacht, Bilder von befreundeten Malern zu erwerben – meistens im Tausch. Auf diese Weise entstand nach und nach eine kleine Sammlung.“ (Otto Niemeyer-Holstein in Achim Roscher Lüttenort, Berlin 4. Auflage 2016, S. 202.) Zunächst bestand die Sammlung aus wenigen geschenkten und ererbten Arbeiten, eine Lithographie von Kokoschka, der Kopf des Augustus, der Schwertkämpfer, ein Kinderköpfchen von Clara Rilke-Westhoff. Eine Makondefigur allerdings kaufte der Künstler bereits 1931 auf einem Flohmarkt in Paris. Erst nach dem II. Weltkrieg, wurde die Sammlung umfangreicher. Die durch Tausch und Kauf erstandenen Kunstwerke erfreuten den Maler, später war es ihm ein Bedürfnis junge Künstler mit einem Kauf zu ermutigen. Der vom Künstler und seiner Familie 1984 nachgelassene Bestand von Kunstwerke fremder Hand um-fasste insgesamt 722 Plastiken, Skulpturen, Gemälde, Aquarelle, Keramiken, Zeichnungen und Druckgrafik von 228 Künstlern davon 145 Arbeiten von 79 Künstlern in den Räumen des Wohnhauses, im Atelier und im Garten. (Franka Keil in Kunstwerke der Freunde, 2018)

 

Otto Niemeyer-Holstein, der 1933 seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Lüttenort auf Usedom findet, blieb zeitlebens weltoffen, neugierig und interessiert, Künstlerkollegen kennenzulernen. Mit sicherem Gespür und Urteilsvermögen fühlt er sich zu den verlässlichen Grundpfeilern der Moderne hingezogen, zu Künstlern, die vor der Anschauung arbeiten und „Bewunderer der sichtbaren Welt“ (Joachim John, 1933-2018) sind.

Während jedoch anderenorts in Europa Künstlerkolonien am Ende des 19. Jahrhunderts entstehen, siedeln sich die Künstler Otto Manigk (1902- 1972), Herbert Wegehaupt (1905 - 1959), Karen Schacht (1900 - 1987) und Otto Niemeyer-Holstein erst zu Beginn der 1930er Jahre auf Usedom an und bilden eine Lebens- und Schaffensgemeinschaft, die auf übereinstimmender Weltsicht und strengem Naturstudium beruht. Ihre zutiefst humanistische Gesinnung teilt sich über Motive aus der unmittelbaren Lebensumwelt mit und bietet der offiziellen Kunst stillen Widerstand. Freundschaftliche und familiäre Kontakte und reger künstlerischer Austausch beflügeln die künstlerische Selbstfindung. Der Grundgedanke einer Künstlerkolonie, basierend auf den persönlichen Erfahrungen Otto Niemeyer-Holsteins wird auf Usedom rezipiert und gelebt.

 

Franka Keil, Lüttenort im Februar 2024

 

 „Freischaffende Künstler- Dieter Goltzsche und Otto Niemeyer-Holstein"

19. Oktober 2024 - 6. April 2025

Goltzsche (geb. 1934) hatte in Dresden bei Hans Theo Richter (1902–1969) und Max Schwimmer (1895–1960), der ihn 1958/59 als Meisterschüler aufnahm, studiert und arbeitet seit 1960, nachdem er sich in Berlin niedergelassen hatte, als freischaffender Künstler. Er gehörte zu den bedeutendsten Künstlern in der DDR, dem es gelang, auch international bis heute erfolgreich wahrgenommen zu werden. Dies liegt an seiner unbedingten Konsequenz sich von kulturpolitischen Forderungen freizumachen. "Meine persönliche erste Begegnung mit Nino war etwa 1964. Wir besuchten ihn in Lüttenort. Niemeyer war ein unerreichtes Vorbild als wirklich Freischaffender – keine Bindung an Betriebe, Aufträge oder ähnliches." Goltzsche 2017

Die Ausstellung ist ein Beleg für die gegenseitige Stärkung von Künstlerkollegen untereinander, zu einer anderen Zeit. Hier liegt der inhaltliche Schwerpunkt in der konsequenten Verfolgung eigener künstlerischer Ziele entgegen äußerer Umstände und Bevormundung. "Der Künstler will frei sein in der Kunst" schrieb ein Mitarbeiter der Staatssicherheit in den Eröffnungsbericht zur Personenobservierung von Otto Niemeyer-Holstein.

Franka Keil September 2024

 

 

 

Download